Arbeitsrecht

Betriebsratsmitglied darf Vergütung für hypothetische Karriereentwicklung verlangen

Von der Arbeit freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen vom Arbeitgeber weiterbezahlt werden. So weit, so klar. Streit gibt es jedoch immer wieder – insbesondere bei sehr lange freigestellten Betriebsratsmitgliedern – über die konkrete Höhe der Vergütung. Kein Arbeitgeber hat eine Glaskugel, in der sich erblicken lässt, wie die berufliche Entwicklung des Mitglieds ohne seine Freistellung ausgesehen hätte. Aus diesem Grund ist hier vor allem das Betriebsratsmitglied selbst gefragt, wie der nachfolgende Fall zeigt.

Burkhard Boemke

21.10.2024 · 2 Min Lesezeit

Der Fall:

Ein Arbeitnehmer war seit dem 02.05.2006 freigestelltes Betriebsratsmitglied bei seinem Arbeitgeber. Vor der Übernahme des Betriebsratsamtes war er zuletzt als Verkaufssachbearbeiter tätig. Im Jahr 2013 erwarb der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber eine sogenannte Führungslizenz. Diese war erforderlich für erstmalige Führungsaufgaben bzw. Personalverantwortung. Seit dem 01.07.2016 war der Arbeitnehmer in der Entgeltgruppe II des Tarif-Plus eingestuft.



Ebenfalls im Jahr 2016 bot ein Mitarbeiter des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer die Stelle als Leiter Kundencenter an. Es handelte sich dabei um eine Unterabteilungsleiterstelle mit 38 direkt unterstellten Mitarbeitern. Einen weiteren Kandidaten oder eine unternehmensinterne Stellenausschreibung gab es nicht. Der Arbeitnehmer war nach Ansicht des Arbeitgebers der einzig geeignete Kandidat. Der Arbeitnehmer lehnte das Angebot jedoch ab, weil er seinem Betriebsratsamt den Vorzug einräumen wollte.



Die Stelle wurde erst im Jahr 2019 neu besetzt, wobei der jetzige Stelleninhaber in die Entgeltgruppe III Tarif-Plus eingruppiert ist.



Im Jahr 2023 begann der Arbeitgeber damit, sein System der Bemessung der Betriebsratsvergütung zu überprüfen (aufgrund einer neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung). Der Arbeitgeber bildete dazu Vergleichsgruppen von Mitarbeitern mit gleichen Tätigkeiten. Berücksichtigung fand dabei die Tätigkeit des Arbeitnehmers in dem Zeitpunkt, als er das Betriebsratsamt übernommen hatte. Anschließend wurde der Arbeitnehmer in die sogenannte Entgeltstufe 20 zurückgestuft, was ein erheblich geringeres Gehalt bedeutete.



Der Arbeitnehmer zog vor das Arbeitsgericht und forderte die Vergütung nach der Entgeltgruppe III Tarif-Plus. Wäre er nicht im Betriebsrat, würde er nämlich heute die Stelle des Leiters Kundencenter ausüben.

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